Wahre Helden von Jörg Boström und Jürgen Heinemann

„Die westdeutsche Industrie befand sich in einer tiefen Krise, als Prof. Jörg Boström und Prof. Jürgen Heinemann Ende der 70er Jahre bis Anfang der 90er Jahre mit ihrer Kamera die industrielle Arbeitswelt in verschiedenen Betrieben Westfalens dokumentierten.“

Dieser Satz aus der Einführung von Willi Kulke zeigt den Rahmen dieses Buches. Es ist ein Buch, welches nur durch Drittmittel finanziert werden konnte und eher die Form einer Paperbackbroschüre hat.

Das ist sehr schade, weil es sich um ein sehr interessantes fotografisches Dokument unserer Industriegesellschaft handelt. Von der Brauerei Felsenkeller in Herford über die Zeche Haus Aden, die Heinrichshütte in Hattingen, die Zeche Minister Stein, Thyssen Stahl AG in Bielefeld, die Miele-Werke, die Dürkoppwerke bis zur Weberei C.A. Delius und noch einige mehr sind in diesem Buch Fotos in Farbe und Schwarzweiss versammelt.

Die Fotos dokumentieren eine schon verschwundene Zeit bzw. teilweise gerade noch im Verschwinden begriffene Zeit. Es sind Bilder über Menschen in industriellen Arbeitsverhältnissen. Dadurch ist dieses Buch ein fotografisches Geschichtsbuch.

Aber dieses Buch hat natürlich noch eine andere Dimension. Alle Fotos wurden von zwei Professoren für Fotografie gemacht. Dadurch erhält das Buch automatisch eine Dimension, die nach der Qualität der Aufnahmen fragt. Und dabei sind verschiedene Aspekte sehr interessant. Erstens sind es analoge Aufnahmen, zweitens sind es Farb- und Schwarzweissaufnahmen und drittens geht es um die Frage der Inhalte auf den Fotos.

Was man zuerst feststellen kann, ist keine Überraschung: man konnte auch schon vor der digitalen Kamera gute Fotos machen. Gerade die Arbeitsplätze waren ja meistens keine gut beleuchteten Fotostudioplätze, sondern es mußte mit dem vorhandenen Licht und eventuell einem Blitz gearbeitet werden.

Ebenso interessant ist die Mischung aus Schwarzweiss und Farbe. Womit werden dokumentarische Fotos am besten gemacht? Das Buch zeigt, es ist beides möglich. Offenkundig ist aber, dass die Farbe nicht automatisch besser ist.

Damit komme ich zum dritten Punkt und frage, was auf den Fotos zu sehen ist. Prof. Jörg Boström und Prof. Jürgen Heinemann zeigen Menschen. Wenn ich das richtig sehe, steht auf allen Fotos (bis auf eines) der Mensch im Mittelpunkt. Der Mensch am Arbeitsplatz und vor allem mit Gesicht. Hier sind zwar namenlose aber keineswegs anonyme Bilder entstanden. Hier sieht man Menschen mit Gefühlen: lachend unter Tage, schwitzend am Tisch, erschöpft am Band, konzentriert am Steuerpult etc.

Die Fotos leben. Ich traue mich dabei gar nicht nach dem heutigen Recht am eigenen Bild zu fragen. Wahrscheinlich wären diese Fotos mit dem heutigen juristischen Denken so nur noch sehr mühsam möglich.

Dieses Buch dokumentiert Aspekte des Arbeitslebens in unserer Industrie wie sie war und nur noch vereinzelt ist. Es ist ein fotografisches Geschichtsbuch. Es ist aber auch eine Art fotografisches Lehrbuch für dokumentierende Sozialfotografie.

Wie wurde fotografiert, worauf wurde geachtet, was steht im Mittelpunkt?

Das Buch ist fotografisch und historisch sehr lohnenswert, zumal es wirklich engagiert und durchgängig Menschen bei der Arbeit an Maschinen zeigt. Es ist eines der wenigen systematisch aufbereiteten Zeugnisse einer Zeit, die vergangen ist oder gerade vergeht.  Es entstand in Zusammenarbeit mit dem LWL-Industriemuseum in Lage und ist ein echtes Stück Dokumentarfotografie.

LWL-Industriemuseum

Wahre Helden

Fotografien von Jörg Boström und Jürgen Heinemann

ISBN 978-3-8375-0414-9

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