„Dieser Betrieb wird bestreikt“ hrsg. vom Technoseum Mannheim

Bilder- und Lesebuch zu Streik und Aussperrung 1963 in Mannheim – so lautet der Untertitel zu diesem höchst interessanten Buch.

„In dem vorliegenden Bildband beschäftigen sich eine Historikerin und sechs Historiker und Sozialwissenschaftler unterschiedlichen Alters (Jahrgang 1943 – 1986) mit Bildern eines Ereignisses, das 1963 auch international Aufsehen erregte, dann aber schnell wieder in Vergessenheit geriet.“

So steht es auf Seite 14. Was kann dabei herauskommen? Im besten Fall eine gute Mischung unterschiedlicher Zugänge und Sichtweisen, die als Ganzes mehr ergeben als die Summe ihrer Teile.

Der Fotograf Anton Tripp war damals drei Tage in Mannheim und hat fotografiert. Udo Achten und das Ruhrmuseum in Essen verfügen über die Fotos und machten sie zur Grundlage dieses Buches.

Als das Buch fast fertig war fand man auch noch einen Film, der alles noch mal um andere Perspektiven ergänzte, so daß dieses Buch auch zeigt, daß Forschung dynamisch ist.

Udo Achten, Torsten Bewernitz, Rainer Fattmann, Hans-Joachim Hirsch, Rabea Limbach, Walter Spannagel und Horst Steffens nahmen sich also dieses Themas an und machten dieses Buch.

Was als erstes auffällt ist die Tatsache, daß man wirklich nur mit dem arbeiten kann, was man vorfindet. Die Fotos waren daher unerläßliche Voraussetzung und die Versuche, dies später mit Gesprächen von Zeitzeugen zu ergänzen, bleiben sehr fragmentarisch. Das wird sehr schön geschildert, wenn die Autoren zeigen, wie einer verstirbt, ein anderer sich falsch erinnert, andere erst gar nicht erreichbar waren usw.

Es gehört eben zur historischen Wahrheit, daß Arbeitnehmer selten ihre Aktivitäten dokumentieren, dafür aber Arbeitgeber eher und umso mehr.

Das Buch enthält sehr unterschiedliche Texte, die einerseits die Sicht der IG Metall erläutern, die sehr unterschiedlich zwischen Vorstand und vor Ort aufgestellt war, und andererseits wird der Ablauf des Geschehens mit den Fotos von Anton Trapp und vielen erklärenden Bildunterschriften dargestellt.

Ich halte die Nutzung von Bildmaterial und die Einbettung in den gesamten Kontext für sehr gelungen. Wer jemals mit einer Gruppe von Autoren zusammengearbeitet hat, der weiß um die Schwierigkeiten, überhaupt die Dinge passend zu beenden.

Und hier ist nach meinem Gefühl versucht worden,

  • das Verhältnis von nutzbarem Material in Form von Fotos und Dokumenten,
  • die Anforderungen einer wissenschaftlichen Arbeit und
  • die Brüchigkeit und Vielschichtigkeit des Aufarbeitens eines Ereignisses und einer Entwicklung historisch darstellbar umzusetzen.

Das war ein langer Satz. Die Kurzfassung lautet, ich finde das Buch gut.

Je nach Interesse kann man dieses Buch auf unterschiedlichen Ebenen lesen.

Wer aus Mannheim kommt, findet hier viele Namen und Hinweise auf Personen und Orte, die nur Eingeweihte kennen.

Wer über die IG Metall als Organisation zur damaligen Zeit etwas wissen will, der findet hier gute Einordnungen aus Sicht des Vorstandes.

Wer Gewerkschaftsbewegung vor Ort sehen will, der findet hier höchst interessante Fotos und viele Hinweise. Man sieht schick angezogene Männer und Frauen – Staatsbürger – die sich nicht alles gefallen lassen. Und man sieht und liest über linkes Bewußtsein im Kapitalismus. Darüber könnte man heute länger sinnieren.

Insgesamt ist dieses Buch ein wertvoller Beitrag zur Regionalgeschichte und zur Gewerkschaftsgeschichte.

Das Buch ist im Verlag Regionalkultur erschienen.

Landesmuseum für Technik und Arbeit
„Dieser Betrieb wird bestreikt“

Bilder- und Lesebuch zu Streik und Aussperrung 1963 in Mannheim
ISBN: 978-3-95505-100-6

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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