Die politische Kamera und die politische Fotografie

Nun hat es Leica erwischt. Weil als Hommage an den Mut von Fotoreportern ein 5 Minuten Video gedreht wurde, das auch die Ereignisse am Platz des Himmlischen Friedens in China darstellt, ist Leica in China dran, weil am Ende des Films ein Leica Logo zu sehen ist.

Die Diktatur reagierte sofort.

Die Wahrheit ist immer schwierig und die Wirklichkeit muß immer gelöst werden. Als ich vor einiger Zeit die Frage stellte, ob es die politisch korrekte Kamera gibt, habe ich dies einmal real gezeigt.

Und nun stößt eine Hommage an Fotoreporter, die die Wahrheit einfangen, der Diktatur in China sauer auf und die Zensoren tun alles, um die Wahrheit zu ersticken.

Genau da rein paßt ja das Buch über Revolutionsfotografie von Frau Wiedenmann. In China wäre sie vielleicht für das Buch verhaftet worden. Da sähe man dann sehr direkt, wie Freiheit der Wissenschaft ins Arbeitslager führen kann. In Deutschland hat sie dafür ihren Doktortitel erhalten. Frau Wiedenmann hat u.a. genau über das geschrieben, was hier gerade zum politischen Konflikt über die Deutungshoheit geführt hat.

In ihrem Buch über Revolutionsfotografie hat sie das ikonische Foto vom Tiananmen-Massaker genauer untersucht.

Sie spricht dabei von den „bekanntesten David-gegen-Goliath-Aufnahmen … Ein unbewaffneter junger Chinese, in schwarzer Hose und weißem Hemd und einer Tasche in der Hand, steht vor einer Reihe von Panzern.“

Ihre Einordnung nimmt sie so vor:

„Alle drei Aufnahmen des Tank Man wurden zu Symbolbildern des Tiananmen-Massakers, auch wenn sie letztlich gar nicht den Platz des Himmlischen Friedens, sondern den daran anschließenden Changan Boulevard zeigen. Und alle drei Aufnahmen wurden aus höheren Stockwerken des Peking-Hotels aufgenommen, wo die Journalisten unter Arrest standen, wodurch die Fotos aus einer gewissen Distanz geschossen wurden.“(421)

Und ausgerechnet dieses Symbol für Freiheit und Friedlichkeit erregt die Zensoren in China nun aufs Äußerste, weil es zeigt, wie hart Fotoreporter kämpfen, um die Wahrheit zu zeigen. Und die Aufnahmen wurden vielleicht sogar mit Leica-Linsen gemacht? Einer der Fotoreporter war Stuart Franklin.

Der Zyniker würde nun fragen, ob die Nutzung eines China-Handys nur noch gestattet ist, wenn die Aufnahmen vorher vom Zensor genehmigt wurden?

Es scheint, wer die Wahrheit sagt, wird bestraft. Das sehen wir gerade an Leica in China.

Es ist so ein Moment, wo man sieht, wie wichtig freie Berichterstattung und Fotoreporter sind und natürlich freie Presse, die geschützt wird von staatlicher Seite.

Und hier sieht man natürlich auch sehr genau, daß es noch politische Fotografie gibt und das Fotografie auch als Waffe genutzt wird, um nicht die unangenehme Wahrheit sondern nur die angenehme Wahrheit aus Sicht der Mächtigen zu zeigen.

Es geht immer um die Deutungshoheit von Bildern als Element von Bewußtseinsbildung und der Verankerung von Macht.

Das ist übrigens genau das Thema des Buches Revolutionsfotografie von Frau Wiedenmann, weil solche Bilder mithelfen, Wirklichkeit und Handlungsbewußtsein entstehen zu lassen.

Und so erleben wir ganz plötzlich,wenn so etwas passiert, wie wichtig politische Fotografie und politische Freiheit sind.

Nachtrag:

Ich habe mir noch ein paar persönliche Worte zu diesen Themen gegönnt.

Nachtrag 2:

Das wird immer besser. Jetzt stellt sich heraus, dass keine einzige Leica sondern nur Nikon Kameras genutzt wurden von den Fotoreportern um die es in China geht.

Nachtrag 3:

Vier Monate später kommt die Meldung, daß Leica umgebaut wird.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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