Dokumentarfotografie deskriptiv nicht destruktiv

Bei den Massen an Festivals, Fotoausstellungen und Fotomessen und dem Universum voller Fotos im Netz kann man nur eigene Wege verfolgen, also vor Ort eigene Themen und Tatsachen fotografieren.

Obwohl ich oft sehr schlimme soziale Ereignisse in unserer Industriegesellschaft fotografiert habe, war es für mich immer wichtig, rein deskriptiv und nicht destruktiv zu fotografieren.

Deshalb habe ich vieles gar nicht fotografiert und andere Dinge nur publiziert, wenn es mir gelang, meine eigenen konstruktiven Regeln für gute Streetfotografie und humanistische Fotografie umzusetzen. Für mich ist Fotografie nie Spannerfotografie gewesen.

Aber wenn etwas im öffentlichen Raum da war und ich es für wichtig hielt, dann habe ich es auch aufgenommen.

Unangenehm bedeutet ja nicht destruktiv.

Und vieles gewinnt erst im Foto an Bedeutung und zeigt es hinterher um so mehr.

Und wenn man nicht nur Unangenehmes fotografiert sondern auch Unaufgeregtes und soziale Strukturen sichtbar macht, dann wird es noch interessanter.

Meine Wege möchte ich an zwei Beispielen aus jüngerer Zeit zeigen. Beide spielen in Wuppertal weil ich konkret die Vermischung und Trennung so fotografisch sichtbar machen konnte.

In der blauen Serie geht es darum architektonische Formen zu zeigen, die Menschen am Bahnhof sehen. Alles fließt dachte ich bei mir, hier bei den Formen und da im Verkehr. Die Formen setzen die Menschen dabei auch in Bewegung und sie sind so, daß nichts haften oder hängen bleibt sondern alles dazu einlädt sich weiter zu bewegen.

In der Serie mit anstrengenden Fotos geht es um Anonymität, architektonische Strukturen und soziales Verhalten solange man nicht „Hallo“ sagt.

Unterschiedlicher könnte es kaum sein und dennoch sind beide Serien Teil der sozialen Landschaft so wie ich sie jeweils sah und abgebildet habe. Sie überlagern sich sogar.

Durch die Wahl derselben Lokalitäten zeigt sich auch die Vielschichtigkeit.

Und es ist natürlich schön, daß hier keine Fotos sind, die soziale Konflikte zeigen, sondern es sind Fotos, die Transitzonen zeigen, fotografische Flaneurzonen.

Und es sind Dokumentarfotos zum Konsumieren. Dadurch werden sie Teil ihres Bewußtseins und lösen vielleicht etwas aus. Wenn es gute Gedanken sind, dann um so besser.

 

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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