peripher von Andreas Tschersich

peripher

Es ist ein Buch nach meinem Geschmack.

Mitten aus der Wirklichkeit und mitten aus dem Leben hat Andreas Tschersich „Orte des Übergangs und Durchgangs“ fotografiert, also Stellen, an denen verschiedene Baustile, Funktionen und Ansichten im öffentlichen Raum aufeinandertreffen.

Diese Schnittpunkte, die auch die Eigentumsverhältnisse und Machtstrukturen und die Kombination von Individualitäten, Möglichkeiten und Grenzen im öffentlichen Raum zeigen, hat er sehr genau gesehen und fotografisch festgehalten.

Die dadurch entstandene Sammlung thematisierter urbaner Landschaft ergibt in der Summe mehr als die einzelnen Teile.

Nach dem Durchblättern wurde für mich die Frage interessant, wo war denn der Autor überall?

Denn die Übergänge zeigen sehr verschiedene Baustile.

Wenn man bei dieser Frage länger verweilt, erkennt man irgendwann fast immer, in welchem Land der Autor war.

So gibt es trotz aller funktionaler Gleichheit immer noch ästhetische Unterschiede, wobei die Übergänge zugleich das Verschwinden dieser Unterschiede anzeigen, denn das Neue ist dann meistens immer gleich im Sinne standardisierter Architektur.

Es ist ein schönes und ansehnliches Buch, das in der Edition Patrick Frey erschienen ist. Und es macht mir Freude, dieses Buch öfter anzuschauen, weil es zeigt, dass das einzig Beständige der Wandel ist.

Irgendwie hat sich in dem Buch aus meiner Sicht der Satz realisiert „Betrachten Sie das Leben als ewige Baustelle.“

Und mir drängt sich natürlich die Frage auf, wie diese Architektur auf die Menschen wirkt, die da leben?

Dieses da leben ist übrigens auch bei uns um die Ecke….

Aber noch etwas Anderes ergibt sich für mich als Frage bei diesem Buch: wie weit sind die Fotos dokumentarische Fotografie?

Tschersich „fügt mehrere Mittelformat-Negative zu einem großen Bild zusammen, um grössere Ausschnitte darzustellen und perspektivische Verzerrungen zu vermeiden, die bei einer mechanisch konstruierten Einzelaufnahme einer Grossbildkamera unumgänglich wären. Andreas Tschersich möchte unter Zuhilfenahme der Technik nicht die Wirklichkeit verfälschen, sondern sich dieser so eng als möglich anschmiegen.“

Andere Kameras rechnen Aufnahmen direkt zusammen, immer mehr Kameras formen Panoramafotos aus einem Film, Künstler wie Gursky erstellen neue Aufnahmen aus vielen Fotos und Tschersich arbeitet nun so.

Die Realität ist immer irgendwie bearbeitet, wenn man sie festhält, weil das, was da ist, so nicht festgehalten werden kann. Diese Aneignung mit Hilfe von digitalen oder anderen Techniken ist immer Bearbeitung.

Wie wirklich ist das?

Da gibt es unterschiedliche Ansichten zu. Aber so ist die Wirklichkeit.

Nun denn!

Die Edition Patrick Frey hat hier kein gefälliges Buch herausgegeben, aber eines das sehr gefällt.

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1. Edition 2016

Hardcover, 164 pages, 76 color images

32 × 25 cm
ISBN: 978-3-906803-07-4

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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