Artikel 501

Foto und Motiv: Michael Mahlke
Foto und Motiv: Michael Mahlke

„Denn ich habe mich u.a. auch gefragt, wieso ich stundenlang vor schlechten Fotos aus irgendwelchen Handys oder Smartphones sitzen soll, die jemand irgendwo aufgenommen hat. Durch digitale Filter wird das nicht besser. Und es lohnt sich nicht, weil man dafür kein Geld erhält und das Betrachten dieser Fotos in der Regel sinnlos ist.

Sinn macht es, individuelle Arbeiten mit Charakter, Schwierigkeiten und Unfertigkeiten anzuschauen. Das Bemühte und Unfertige ist das eigentlich Spannende. Nicht das abgeglättete Werk. Das ist bei Menschen wie im Film. Glatte Filme unterhalten, Filme mit Kanten bringen Leben. Sprache ist ja immer schwierig. Ich meine mit unfertig nicht schlecht sondern Fotos, die auf ihre Art etwas festhalten konnten, was sonst nie dokumentiert worden wäre. Ich habe zum Beispiel oft nur eine kleine Kamera dabei gehabt und musste damit arbeiten. Das hatte technische und situative Probleme zur Folge. Aber es war oft der einzig mögliche Weg.“

Das schrieb ich 2012, jetzt haben wir 2016.

Unfertiges, Unbeachtetes, Vergessenes und viele Experimente machten daher mein Leben mit der Fotografie aus.

Der Blog blieb und begleitete mich dabei.

Daher ist hier alles mehr. Es ist erlesen und erarbeitet und führte mich zu weiteren Erkenntnissen, die ich wiederum fotografisch umsetzte.

Das Soziale ist unser Schicksal und das Asoziale der Kampf auf dieser Welt – auch bei mir und dies fließt natürlich auch ein in Einschätzungen, Beurteilungen, Blicke und Themen.

Der Artikel 501 bedeutet, WordPress hat bisher 500 veröffentlichte Artikel gezählt nur auf diesem Blog. Hinzu kommen Artlens und Frontlens, das ergibt ca. 1.000. Von der praktischen Fotografie ganz abgesehen.

Ich habe es nie bereut, nicht nur zu fotografieren sondern auch darüber zu schreiben und mich zu trauen dort weiter zu schreiben wo kaum jemand war. Faszinierend waren auch die Versuche, die wissenschaftliche Bearbeitung der Fotografie hier auf ein verständliches Maß und die Fotopraxis runterzubrechen.

Je tiefer ich in die Themen eindrang und je mehr Fotografinnen und Fotografen ich über ihre Fotos kennenlernte, desto mehr mußte ich dann selbst zusammenschreiben und neue Zusammenhänge aufzeigen. Es gibt eine unglaubliche Atomisierung.

Daher ist dies eine Fachseite geblieben zur Dokumentarfotografie auf der Höhe der Zeit. Ich habe zwischen Medienkarawane und unbeachteter Fotografie versucht, substanzielle und wichtige Menschen und Themen hier einzubringen.

Engagement, Humanität und Lebensversuche waren meine wirklich wichtigen Kritieren, weil ich glaube, daß Dokumentarfotografie zugleich die Lebensversuche der Dokumentierenden zeigt und die Lebensversuche der Dokumentierten.

Wir sind alle Kinder unserer Zeit und dokumentieren daher das, was wir sehen – wenn wir es dokumentieren.

Und ich habe begriffen, daß man immer das dokumentiert, was man selber sieht oder sucht. Den Namenlosen wollte ich immer ein Gesicht geben und eine Stimme, weil ich finde, daß auch sie beachtet und gewürdigt werden sollen in der Gegenwart und in der Geschichte.

Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, daß ich auch beachtet werden wollte und nicht einfach namenlos verschwinden wollte. Das will eigentlich jeder aber es kommt darauf an, wie man damit umgeht.

Das zu erkennen und damit anders umzugehen hat diese ununterbrochene Beschäftigung mit diesem Thema immer wieder bei mir hervorgerufen, immer und immer wieder.

Nun kann ich meiner Endlichkeit anders begegnen. Ich muß keine Pyramiden mehr bauen, damit man an mich denkt, wenn ich nicht mehr denken kann.

Ich trete damit auch fotografisch in eine neue Zeit ein und bin sehr gespannt, ob und was ich tun werde – nach dem Artikel 501.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert