Fotografieren auf Demonstrationen im Zeitalter von Facebook und Twitter – jeder ist ein Fotograf

Jeder ist heute Fotograf. Ich habe noch nie zuvor jenseits der Journalisten so viele Menschen gesehen, die mit technischen Geräten Fotos und Videos machten.

Dieser Artikel ist die Fortsetzung einiger Berichte aus dem praktischen Leben mit der Fotografie u.a.:

Denn heute geht es darum, medial präsent zu sein. Früher waren mehr Menschen auf Demos weil es keine sozialen Medien gab. Heute werden Inhalte sehr viel über die neuen sozialen Medien vermittelt. Selbst der, der nicht auf der Demo war, kann sich hinterher vom Sofa aus informieren. Daher sind Demos als Demonstrationen – sich zeigen mit seinen Botschaften – noch wichtiger und ihre mediale dauerhafte Darstellung entscheidend geworden.

Hinzu kommt, daß immer mehr Zeitungen und Portale online sind. Daher kommt es darauf an, auch später dort noch zu sehen zu sein.

Dies führt dazu, daß im Rahmen politischer Berichterstattung

  • das Weglassen von Bildern und Texten als Waffe eingesetzt wird nach dem Motto, wenn niemand es weiß dann bewegt es auch niemand
  • das Foto andere Inhalte suggeriert als das, was da war

Dies überlappt sich mit politischer Fotografie, die durch Bilder etwas zeigen will – Bilder als Botschafter.

In Zeiten von Armut 2.0 und Asylansturm gehen die Fronten quer durch die Lager, weil die Verarmung der deutschen Bevölkerung zunimmt durch die Verarmungsregel von Hartz4 und die Rentenkürzungen und zugleich immer mehr Aslysuchende nach ihrer Anerkennung direkt mit arbeitslosen Inländern gleichgestellt werden. Daher traf es sich gut, daß ich die Gelegenheit hatte, in Remscheid eine Reihe von zeitgleichen Demonstrationen zu beobachten – die Welt im Wasserglas.

Was sah ich nun für Kameras und von wem?

Auf dem folgenden Foto stellte sich der vermummte Mann einfach vor mich als ich ein Foto machen wollte, so daß er offenbar gewollt mit aufs Bild kam. Man sieht, daß er eine ART DSLR (digitale Spiegelreflexkamera) hat.

So sah ich einige, wobei nie klar war, wer wozu was macht.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Das waren die, die auch beim Fotografieren Abstand hielten. Je länger die Linse desto weiter weg standen sie.

Mit anderen Kombinationen traute man sich dann schon unters Volk.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Aber das eigentliche Filmen und Fotografieren fing jenseits dessen an.

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Es gab noch mehr kleine Kameras und Smartphones. Es ist heute so, daß der Gang zu einer Demonstration dazu führt, vielfältig öffentlich aufgenommen zu werden. Da kann man und muß man auch nicht viel gegen tun, weil eine Demonstration ja zum demonstrieren dient, also sich zeigen. Das Eintreten für die eigenen Interessen ist dabei die eine Seite, die Zuhörer sind dabei die andere Seite, wobei man nie Zuhörer mit Anhängern verwechseln sollte.

Was sagt uns dies nun über die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie.

Die für mich wichtigste Aussage lautet, wer ein Smartphone hat benutzt es auch, um Videos zu drehen. Das geschieht zwar meistens nur durch Draufhalten und Drehen aber es wird überall gemacht. Fotos machen nach meiner Beobachtung nur ganz wenige mit Smartphones. Dazu sind die Bedingungen einfach zu schlecht. Der Smartphone-Monitor ermöglicht keinen echten Blick, der Sucher ist einfach besser und den gibt es nur bei Digitalkameras.

Es ist übrigens auch keine Altersfrage mehr. Ganz im Gegenteil, je älter desto besser das Smartphone mit seinen Videofähigkeiten schien es mir.

Dies bestätigt Beobachtungen von mir bei anderen Gelegenheiten. Das Smartphone ist das Werkzeug für die Aufnahme, meistens die Videoaufnahme, weil es immer dabei ist und die Inhalte verteilt werden können.

Aber es ersetzte eben auch nicht andere Formen des Fotografierens. Parallelwelten nennt man dies wohl.

Es hat sich also einiges getan in den letzten fünf Jahren.

Und es geht weiter.

Nachtrag:

Das Weglassen von Fotos als Waffe kann man sehr schön in einem Artikel der Rheinischen Post sehen. Da gibt es kein Foto von der Demo sondern nur Fotos von den Gegendemos.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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