Charleroi in Belgien und Remscheid im Bergischen Land

charleroi

Es ist sehr schwer auf Bücher aufmerksam zu werden, die hier nicht auf dem Buchmarkt zu finden sind.

Daher bin ich Peter Lindhorst sehr dankbar, daß er das Buch Charleroi von Stephan Vanfleteren rezensiert hat.

Es war ihm offenkundig eine Herzensangelegenheit.

Das Buch hat einen niederländischen und einen französischen Text.

Es ist also für Deutsche mit Englischkenntnissen so gut wie unerreichbar.

Um so schöner war es, das Buch und den Fotografen Stephan Vanfleteren von Peter Lindhorst in dieser Form in deutscher Sprache vorgestellt zu bekommen.

Die Fotos, die auch in einer Ausstellung in Charleroi zu sehen waren, sprachen mich sofort an. Er war in Charleroi wohl eine Art visueller Stadtschreiber.

Eine sterbende Industriestadt, Menschen mit ihrer Lebenszeit darin und dann auch noch monochrome Fotos in digitalen Zeiten.

Ich mußte über vier Wochen warten, aber es gelang mir über buecher.de unkompliziert das Buch zu bestellen. Woanders war es nicht zu finden.

Und ich bin von dem Buch sehr angetan.

Denn es ist eine sehr persönliche Sicht und es ist vor allem ein Buch, das zeigt, wie interessant auch heute monochrome Fotos sein können.

Rein technisch betrachtet gibt es in dem Buch verwackelte Fotos, sehr scharfe Fotos, sehr grobkörnige Fotos und sehr detaillierte Fotos. In der Kombination in einem Buch wird daraus ein Streifzug durch eine Stadt mit ihren Menschen und den Lebensmomenten und jedes Foto in jeder technischen Ausprägung erzählt eine eigene Geschichte.

Dieses Buch erinnert mich an meine Stadtansichten von Remscheid und dem Wupperdreieck, weil es auch so persönlich ist.

Es hat bei mir aber noch mehr bewegt.

Es ist für mich der Anlaß geworden, aktuell verstärkt zur monochromen Fotografie zurückzukehren.

Ich bin immer hin- und hergerissen zwischen bunt und monochrom, weil jedes Foto anders ist und manche eben nur in Farbe und manche nur in Schwarzweiß richtig wirken.

Die soziale Realität im Blick und Fotos, die die Menschen ehrlich und doch nicht bloßstellend sondern mit ihrer Seele zeigen, das ist es, was mich immer wieder antreibt.

Diese Art der Dokumentarfotografie setzt den Namenlosen ein Denkmal und zeigt der Umwelt das, was sie nicht immer sehen wollen aber sehen sollen.

Vielleicht spüre ich in dem Buch von Stephan Vanfleteren so etwas wie eine Seelenverwandtschaft an dieser Stelle.

Ich weiß es nicht aber ich weiß, daß ich so etwas bei diesem Buch spüre.

Das Buch ist auch buchbinderisch eine Augenweide und von unglaublicher Qualität.

Der Preis von 35 Euro (ohne Porto 24,95 €) macht es auch für die Bewohner des Ortes erschwinglich.

Charleroi und diese Art der Fotografie ist ein Thema, das man mögen muß. Denn es sind Aufnahmen aus der Wirklichkeit im Längsschnitt.

Und es ist dokumentierende Fotografie und irgendwie auch sozialdokumentarische Fotografie.

Es geht hier um den öffentlichen Raum in Charleroi und die Menschen auf der Straße mitten in ihrem Leben. Da sieht man dann erstaunliche Parallelen zwischen kaputten Straßen und vom Leben benutzten Menschen, die aber ihre Seele aus den Augen schimmern lassen und da sprüht manche Lebensfreude.

Vanfleteren hat auch eine besondere Art zu fotografieren. Er schneidet oft ein Bild so ab, daß manche Einzelteile wie z.B. eine Hand auf einer Schulter mehr aussagen als es ein Foto mit der gesamten Person aussagen könnte.

Die Hand spricht und ihre Geste sagt noch viel mehr.

Das Buch ist Persönlich, Poetisch und (für mich auch) Politisch.

Denn es zeigt die Folgen einer Industriekultur und den sozialen und asozialen Zusammenhang von Maschinen und Menschen: Stolz und Würde, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Leben, Armut und Ende und die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum.

Ich finde das Buch großartig.

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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