Der Flair des Fotojournalismus gestern und heute

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Warum reizt der Fotojournalismus bis heute? Was hat er, was andere Tätigkeiten nicht haben?

Vielleicht ist es das Dabeisein als Privileg.

Oder es ist das Image der Fotojournalisten.

Fangen sie noch die Fotos ein, die die Welt braucht und noch nie gesehen hat?

Damals

Die beste Antwort auf diese Frage sehen wir bei dem Fotojournalisten Volker Hinz. Er war dabei als der Fotojournalismus seine Glanzzeit hatte.

Wie toll muß dieses Leben gewesen sein! Diese Mischung aus Lust und Neugier, dieses sexualisierte darstellungsliebende und selbstverliebte da sein und dabei sein. Er hat dies alles großartig fotografiert und eben auch die weiblichen und männlichen Fotojournalisten in ihrer Welt festgehalten.

Volker Hinz
Volker Hinz

Es sind die der großen Magazine gewesen, die er uns überwiegend zeigt. Und es sind die großen Themen der Reichen gewesen, die dabei zu sehen waren.

Groß und reichhaltig war die Welt und man war dabei und fühlte sich (war) Teil des Ganzen.

Es gibt einen schönen Trailer zu dem Buch, die Fotos des Stern-Reporters sieht man als kleine Auswahl beim Spiegel, wenn man das Buch nicht anschauen kann, das fantastisch ist.

 

Heute

Was ist von diesem Flair geblieben?

Die Antwort darauf gibt es nun auch in einem Buch. Es ist das Handbuch des Fotojournalismus von Lars Bauernschmitt und Michael Ebert.

Das Handbuch des Fotojournalismus zeigt die Zeit nach dieser goldenen Zeit.

Handbuch des Fotojournalismus
Handbuch des Fotojournalismus

Bis heute lebt der Fotojournalismus vom goldenen Zeitalter und dieses Image läßt auch heute noch viele so rumlaufen mit der Kamera um den Hals und dem entdeckenden Blick im Kopf.

Aber damals konnte man mit dem Dabeisein als bezahlter Fotojournalist gut leben.

Heute ist das anders.

Die digitale Welt hat das Erstellen von Bildern zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit gemacht.

Bildermachen ist keine Kunst mehr, aber was mit Bildern machen wird immer mehr zu einer Kunst, einer Lebenskunst, wenn man davon leben will.

Lars Bauernschmitt und Michael Ebert haben dies sehr nutzbringend in ihrem Handbuch des Fotojournalismus dargestellt.

Das Buch ist sehr gewinnbringend und beschreibt alle Aspekte des heutigen Fotojournalismus bis zur Vereinsamung. Dies bringt in dem Buch sehr schön Gerd Ludwig auf den Punkt: „Zufällige Treffen in der Redaktion mit anderen Fotografen … gibt es nicht mehr. … Heute fehlt das Zufällige… Persönliche Treffen finden heute eher auf Festivals statt… Früher mußten die Fotografen die aktuellen Bilder liefern. Das leisten heute diejenigen, die Videos machen. Es ist eine ähnliche Entwicklung wie bei der Erfindung der Fotografie. Bis 1837 wurden Porträts von Malern angefertigt. Mit der Erfindung der Fotografie wurden die Maler dafür nicht mehr gebraucht. Fotografen waren schneller und billiger, die Maler wurden dafür in ihrer Arbeit plötzlich freier… Fotojournalisten müssen heute auf viel mehr Feldern aktiv sein als früher. Diversification is the name of the game.“

So ist Fotojournalismus heute im Bereich der freien Fotoreportagen nichts für schwache Nerven. Ich habe diese Erkenntnisse in einem Essay einmal unter der Überschrift „Die Wirklichkeit als Verlustgeschäft“ zusammengefaßt.

Doch ich möchte an dieser Stelle auch auf Julian Röder verweisen, der als jüngerer Mensch Ansprüche an Fotojournalismus heute umgesetzt hat und irgendwie schon so arbeitet wie es Ludwig beschrieben hat.

Julian Roeder
Julian Roeder

Ob und wie man von den Honoraren für Fotos leben kann, kann man sich selbst leicht ausrechnen.

Am Besten kann man heute von der Fotografie leben, wenn man nicht von ihr leben muß.

Aber das ist ziemlich selten der Fall.

Die beiden attraktivsten Bereiche des Fotojournalismus sind heute sicherlich der Lokaljournalismus und der Sportjournalismus.

Auch hier gilt, daß neue Technik und veränderte Märkte alles versprechen außer materieller Sicherheit.

Und der klassische Fotojournalismus alter Art ist tot wie Gerd Ludwig und andere nüchtern feststellen, auch wenn weiter für Geld fotografiert wird. Die klassische Form findet man nur noch vereinzelt bei angestellten lokalen Fotografen.

Aber man ist als Fotojournalist immer noch dabei und wenn es „nur“ vor Ort ist – also da, wo die eigene Lebenszeit läuft und die eigenen Lebensbedingungen erlebt werden.

Insofern ist der Flair der großen Welt immer noch da, aber anders.

 

Morgen?

Sobald man den harten Kern des Fotojournalismus verläßt und in die weicheren Gebiete ausweicht wird es anders.

Modeblogs, Frisuren, Beauty sind Themen, die von Menschen besetzt sind, die aus dem Fotografieren eine besondere Art des Geldverdienens durch Präsentation auf dem Blog und bei Facebook, Twitter etc. gemacht haben.

Das ist natürlich zugleich PR aber da hört man kaum, man könne davon nicht leben.

Das gilt ähnlich auch für Food-Fotografie. Auf Deutsch fotografiert man Essen und Trinken. Die Dimensionen und Verdienstmöglichkeiten sind hier ganz gut erläutert worden aber für Menschen, die den Flair des Fotojournalismus suchen, wohl eher uninteressant.

 

Ausblick

Sehr nüchtern fällt das Urteil von Bauernschmitt und Ebert über die Situation von Fotojournalisten aus, wenn sie über die Gegenwart schreiben: „Fotojournalisten werden zu Grenzgängern, denn sie können ihre Kenntnisse problemlos sowohl redaktionell als auch werblich einsetzen – und tun es auch.“

Geld führt.

Die Frage ist nur wohin.

Ich bin gespannt.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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