Armut 2.0 in Deutschland – Fotografie zwischen Dokumentation und Kunst

Foto: Michael Mahlke
Foto: Michael Mahlke

Armut hat Gesichter.

Doch wir haben mehr als zehn Jahre nach der Einführung von Hartz 4 in Deutschland eine besonders beschämende Situation.

Denn die Armut in Deutschland ist staatlich verordnet.

Selbst wer Arbeit findet, ist meistens schlecht bezahlt und nur befristet eingestellt.

Es sind diese Gesetze, die den ehrlichen Menschen die Chancen nehmen, sie zum finanziellen Abstieg zwingen und jeden Arbeitslosen, der dieses Sozialsystem vorher mitfinanziert hat, diskriminieren.

Hartz 4 – Alg 2

Hartz 4 ist die herzlose Antwort der Asozialen auf die sozialen Herausforderungen in Deutschland nach der Wiedervereinigung.

Wie geht man damit nun fotografisch um?

Man kann es ignorieren und nicht fotografieren.

Man kann es auch fotografieren wollen, aber keine Gesichter dazu finden oder man macht die Gesichter – selbst wenn man sie im öffentlichen Raum findet – dann doch unkenntlich.

Die mögliche soziale Stigmatisierung hat in den letzten Jahren dazu geführt, daß es zu diesem Thema so gut wie keine sozialdokumentarische Fotografie gibt.

Das, was bekannt ist, ist eher anonyme Armutsfotografie, die symbolhaft vorgeht.

Armut 2.0

Armut 2.0 ist Armut in hochentwickelten Ländern wie Deutschland, die den echten Sozialstaat abschaffen und durch eine Armenspeisung mit diktaturähnlichem Überwachungssystem ersetzen.

Wie kann man diese gesellschaftlichen Zustände festhalten?

Ich habe dazu eine kleine Webwanderung durchgeführt und möchte die interessanten Beispiele hier vorstellen.

Obdachlosigkeit

Unter Anleitung von Andreas Herzau hat dazu Anna Stumpf eine Fotoserie mit dem Titel „Trügerisches Idylle“ vorgestellt. Sie schreibt auf ihrer Webseite dazu: „Nach dem Armutsbericht der Bundesregierung sind 330.000 Menschen in Deutschland wohnungslos. … Der Bremer Hauptbahnhof bildet das im Takt des Alltags pulsierende Herz der Stadt. Der daneben ansässige ehemalige Güterbahnhof bietet einen Rückzugsort für Obdachlose. Vermeintliche Müllberge entpuppen sich als stille Zeugen einer Gesellschaft, die neben unserer existiert.“

Genau diese Dokumentation ist besonders bemerkenswert, weil der liebe Herr Steinmeier als Architekt der Hartz-Gesetze eine Dissertation mit dem Titel „Bürger ohne Obdach: zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum; Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit“ erstellt hat.

Und dann sind in Deutschland 330.000 Menschen offiziell obdachlos?

Diese Fotoserie ist damit viel mehr als nur eine fotografische Momentaufnahme. Sie dokumentiert darüber hinaus das absolute Versagen der politischen Klasse am Beispiel von Frank-Walter Steinmeier und ist damit hochpolitisch und aktuell.

Wahrnehmung von Armut

Ist Armut bei uns schon selbstverständlich?

Bei Masterphotos gibt es eine Serie mit dem Titel Beiläufige Wahrnehmung.

Darin befinden sich auch einige Fotos, die zeigen, wie selbstverständlich heute Armut im öffentlichen Raum vorhanden ist und gar nicht mehr darauf reagiert wird. Sie ist nicht mal mehr einen bewussten Blick wert, könnte man sagen. Und genau dies wird dort fotografisch festgehalten.

Verarmte Wohnviertel

Schon etwas älter ist die Serie von Jonas Bendiksen zum Thema „Slums des 21. Jahrhunderts.“ Diese Serie setzt Deutschland in ein Verhältnis zu anderen Ländern, weil sie international angelegt ist und keine Fotos von Deutschland zeigt.

Hier setzt Steffen Diemer an.  Er hat dies am Beispiel der Bayreuther Strasse in Ludwigshafen umgesetzt. Wir sehen dort wie Menschen leben, die etwas besseres verdient haben als Hartz 4, nämlich echte Chancen.

Verfestigung von Armut

Berichte über die Verfestigung von Armut oder auch strukturelle Armut habe ich nur mit Symbolfotos gefunden.

So gäbe es noch eine Menge zu fotografieren, wenn man nur diese deutschen Verhältnisse in ihrer Wirklichkeit festhalten will.

Aber will man das?

Demos gegen Armut und Hartz 4

Natürlich gibt es viele anständige Menschen, die das dokumentieren wollen und die etwas ändern wollen. Einige davon dokumentieren die vielen Demonstrationen und Kundgebungen auch zu diesem Thema:

UmFairteilen 2
Und so gibt es Projekte und fotografische Aktivitäten von, mit und über Armut und Hartz 4 in Deutschland.

Und noch mehr zu diesem Thema gibt es hier.

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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