Scheitern als Chance im Kampf gegen die Bildermassen?

Foto: Michael Mahlke

Nun habe ich in den letzten Jahren mich hier und anderswo gedanklich abgearbeitet im Arbeitsfeld Fotografie. Das Fotografieren spielt sich für mich im Kopf ab und erfordert auch entsprechende Beachtung. Das dann real entstehende Foto ist das Ergebnis einer produktiven Auseinandersetzung.

Aber ein Thema, welches mich ständig beschäftigte, war der Umgang mit den beständig wachsenden Massen an Bildern.

Wie geht man damit um?

Alle Versuche, da irgendwie einen Zugang zu gewinnen, sind gescheitert. Allein die Masse macht es unmöglich, dies alles irgendwie zu erfassen.

Ich bin gescheitert mit dem Versuch, mit den Bildermassen zu arbeiten. Zwar gab es auch früher schon mehr Bilder als man in seinem Leben bewältigen konnte. Aber es waren Schwerpunkte möglich und irgendwie gab es auch eine Überschaubarkeit.

Daher gestehe ich mir heute mein Scheitern ein. Und genau hier geht es mir nun danach besser.

Das Scheitern führt bei mir zur Befreiung. Jetzt kann ich alles ausblenden, was mich persönlich nicht interessiert. Und dann ergeben sich auf einmal Spuren, die zu einem neuen Weg führen:

Beide Projekte zeigen mir, dass es Wege in den Fotomassen gibt, die persönlich und gesellschaftlich sinnvoll sind. Es geht um das, was gerade geschieht und es sind die Wege, die durch persönliches Bearbeiten ein Thema im Querschnitt und/oder Längsschnitt fotografisch festhalten.

Das scheint der Weg und das Ziel

Denn ich habe mich u.a. auch gefragt, wieso ich stundenlang vor schlechten Fotos aus irgendwelchen Handys oder Smartphones sitzen soll, die jemand irgendwo aufgenommen hat. Durch digitale Filter wird das nicht besser. Und es lohnt sich nicht, weil man dafür kein Geld erhält und das Betrachten dieser Fotos in der Regel sinnlos ist.

Sinn macht es, individuelle Arbeiten mit Charakter, Schwierigkeiten und Unfertigkeiten anzuschauen. Das Bemühte und Unfertige ist das eigentlich Spannende. Nicht das abgeglättete Werk. Das ist bei Menschen wie im Film. Glatte Filme unterhalten, Filme mit Kanten bringen Leben. Sprache ist ja immer schwierig. Ich meine mit unfertig nicht schlecht sondern Fotos, die auf ihre Art etwas festhalten konnten, was sonst nie dokumentiert worden wäre. Ich habe zum Beispiel oft nur eine kleine Kamera dabei gehabt und musste damit arbeiten. Das hatte technische und situative Probleme zur Folge. Aber es war oft der einzig mögliche Weg.

So wird die Zukunft hier und anderswo bei mir dazu führen, sich mehr diesen Fragen zuzuwenden und bewusst das Feld der Bildermassen anderen zu überlassen.

Wir leben im Zeitalter der Massen

„Es gibt eine Tatsache, die das öffentliche Leben Europas in der gegenwärtigen Stunde – sei es zum Guten, sei es zum Bösen – entscheidend bestimmt: das Heraufkommen der Massen zur vollen sozialen Macht…. Wir nähern uns dieser historischen Erscheinung vielleicht am besten, wenn wir uns auf eine visuelle Erfahrung stützen und einen Zug der Zeit herausheben, der mit den Augen zu sehen ist. Es ist leicht aufzuweisen, wenn auch nicht leicht zu analysieren; ich nenne ihn die Tatsache der Anhäufungen, der Überfüllung. Die Städte sind überfüllt mit Menschen, die Häuser mit Mietern, die Hotels mit Gästen, die Züge mit Reisenden… Was früher kein Problem war, ist es jetzt unausgesetzt: einen Platz zu finden.“

Das schrieb Jose Ortega y Gasset 1930. Heute würden wir schreiben: Es gibt eine Tatsache, die das (digitale?) Leben entscheidend bestimmt, das Heraufkommen der digitalen Bildermassen….

Und so bleibt die Aufgabe, darin einen Platz zu finden und damit umzugehen. Dies geht nur, wenn man von den Bildermassen wegkommt und bei dem Einzelbild und der Serie ankommt.

Vielleicht gibt es „die“ Lösung auch noch gar nicht. Dann lohnt sich die Suche danach. Dazu begibt man sich einfach auf den Weg. Das wäre dann ein neues Thema.

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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