Wann ist eine Digitalkamera eigentlich „alt“?

In dem Film „Kaufen für die Müllhalde“ zeigen die Autorinnen und Autoren am Beispiel eines Druckers, wie ein gutes Produkt zum Müll wird.

Hier geht es zwar nicht um Drucker sondern um Digitalkameras.  Aber in in diesem Jahr sind hunderte von neuen Kameras auf den Markt gekommen und im Herbst steht sogar noch die Photokina vor der Tür mit noch mehr Neuerungen.

Angeregt durch den Film möchte ich daher die Frage stellen, was heute unter „alt“ verstanden wird.

Produktlebenszyklus

Im Film empfehle ich besonders ab der 40. Minute zu schauen. Dort geht es um den Produktlebenszyklus, den der Auftraggeber bestimmt. Und ab der 55. Minute wird der ganze Elektroschrott als sog. „Gebrauchtwaren“ in die dritte Welt exportiert.

Was hat das nun mit „alt“ zu tun?

Eine Menge in meinen Augen. Meiner Erfahrung nach sind ältere Digitalkameras weniger als Lifestyleprodukte und mehr als dauerhaft technische Geräte konstruiert worden. Das hat sich vielleicht z.T. mittlerweile geändert.

Früher war eine analoge Kamera und später eine Digitalkamera „alt“, wenn sie kaputt war. Heute ist eine Digitalkamera „alt“, wenn ein neues Modell auf dem Markt ist.

Mit dem Zweck der Kamera – dem Fotografieren – hat das dann eigentlich nichts mehr zu tun.

  • Als die älteren Kompaktkameras durch neuere ersetzt wurden, fehlte fast überall der optische Sucher. Für mich waren damit die neueren Kompaktkameras schlechter als die älteren Digitalkameras.
  • Durch die Nutzung neuer Verbindungstechniken ist vieles nicht mehr so dauerhaft wie früher

Ältere Digitalkameras sind daher nicht automatisch schlechter als neue Modelle, sie sind anders. Deshalb sollte man sich immer wieder die Frage stellen, ob sich ein Neukauf lohnt.

Das Neue ist der Feind des Guten

Offenkundig ist es also falsch, „alt“ mit schlechter und „neu“ mit besser zu verwechseln. Vielmehr kommt es darauf an, was ich wofür brauche.

  • Wer im Vollformat im absoluten Lowlight bewegte Objekte ohne Blitz fotografieren will, der braucht mehr als die alte Canon EOS 5D. Wer aber mit Stativ fotografieren will oder tagsüber, der braucht keinesfalls mehr.
  • Aktuell erleben wir ja die Wiedergeburt der 2/3 oder 1 Zoll Chips in Kompaktkameras. Die gab es schon einmal. Wer z.B. noch eine Nikon Coolpix 8400 hat, der kann damit ebenso gute Fotos machen wie mit neueren Kameras.
  • Zudem haben wir als Menschen biologische Grenzen, die immer mehr Megapixel sinnlos erscheinen lassen

Aber es gibt bei dieser Frage noch eine Dimension, die Handydimension.

Die Handydimension

Seit 15 Jahren benutze ich Handys und früher bekam man ja alle zwei Jahre ein neues Handy von seinem Provider. Alle meine alten Handys funktionieren noch. Nicht eins ist bis heute kaputt.

Die neuen Handys sind Lifestyleprodukte, die dann als gut bewertet werden, wenn sie noch größere Displays, noch leistungsfähigere Prozessoren und noch bessere Digitalkameras und Klangqualitäten haben. Wie lange halten diese Handys wohl durch?

Da gerade die Digitalkameras in den Handys immer besser werden (braucht man das?), ist die Überlegung angebracht, wie viel denn ein solches Handy kosten soll, wenn es sich um ein nicht für lange Haltbarkeit konstruiertes Lifestylemodell handelt.

Bei Lifestyleprodukten scheint es ja entscheidend, dass sie neu sind.  Es ist eben technische Mode. Daher werden die Antworten unterschiedlich ausfallen, je nach Geldbeutel und Interesse.

Und es kommt offenbar auf den Gebrauchswert an. Will ich es gebrauchen, weil es funktioniert oder will ich es gebrauchen, um Gruppenzugehörigkeit zu demonstrieren? Das beeinflusst Kaufentscheidungen.

Alt ist also nicht dasselbe wie früher. Damit ist eigentlich heute alles „alt“ und nur noch das gerade Neueste nicht. So leben wir denn in einer technisch und sozial völlig alten Welt, wenn man es aus dieser Warte sehen will – muß man aber nicht.

In diesem Sinne

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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