Wie man mit der Dokumentarfotografie Geschäfte macht oder wer gewinnt zahlt drauf?

Foto: Michael Mahlke

Umsonst ist nicht genug

Da gibt es nun eine Ausschreibung für einen Fotowettbewerb. Dort lese ich:

„Mit der Ausstellung ACHTUNG?! – RESPEKT, KONTROLLE, VERÄNDERUNG im Münchner Stadtmuseum schafft FotoDoks Raum für fotografische Arbeiten, die sich auf besondere Art den Themen unserer Zeit widmen, die Beziehung des Fotografen zur Welt beleuchten und einen reflektierten Umgang mit dem Bild zeigen. Gemeinsam mit dem diesjährigen Partnerland Großbritannien (UK) setzt sich FotoDoks mit der aktuellen Dokumentarfotografie, den Fotografen und den Fotografierten auseinander.

Die Ausstellung wird am 17. Oktober 2012 im Münchner Stadtmuseum eröffnet und ist dort bis zum 25. November zu sehen.“

So ist es also in München möglich, Dokumentarfotografie zu zeigen. Also werfe ich einen Blick auf die Ausschreibungsbedingungen und dort finde ich folgende Sätze:

„Ausstellung

Die Ausstellung FotoDoks findet vom 17.10.2012 bis zum 25.11.2012 im Münchner Stadtmuseum statt.

Die ausgewählten Fotografen werden bis zum 15.08.2012 per E-Mail benachrichtigt.

Die Gestaltung der Ausstellung erfolgt durch den Veranstalter im Einvernehmen mit dem/der Fotograf/in. Die endgültige Entscheidung obliegt dem Veranstalter. Wir behalten uns vor, kurzfristig Exponate z.B. aus technischen oder versicherungstechnischen Gründen von der Ausstellung auszunehmen.

Jede/r Teilnehmer/in ist für die Erstellung der Abzüge oder Prints in galerieüblicher Qualität selbst verantwortlich. Die Art der Präsentation ist mit dem Veranstalter abzusprechen.

Die Teilnehmer/innen der Ausstellung, tragen selbst die Kosten und Verantwortung für die Anlieferung und Hängung der Fotografien.

Kosten für die Rücksendung in maximaler Höhe von 50,- Euro werden übernommen. Darüber hinausgehende Kosten trägt der Teilnehmer selbst.

Die Anwesenheit zur Hängung (15. & 16.10.) ist verpflichtend und eine Teilnahme am Festival (vom 17.10.-21.10 2012) erwünscht.

Jede/r ausgewählte Teilnehmer/in ist verpflichtet einen Pressetext zu seiner Arbeit bis spätestens 01.09.2012 in digitaler Form zu übermitteln.

Jede/r Teilnehmer/in willigt ein, dass der Aussteller eines oder mehrere Bilder im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit für die Ausstellung und den Wettbewerb reproduzieren und verbreiten darf.“

Alles umsonst aber dafür nicht kostenlos

Das Ganze ist meiner Meinung nach ein Musterbeispiel für die Feststellung, dass Dokumentarfotografie kein Geschäftsmodell ist. Wer mitmacht und zugelassen wird, muss so gut wie alles selber bezahlen und erlaubt sogar noch die nicht weiter spezifizierte kostenlose Verbreitung seiner Fotos laut dieser Infos.

Da braucht es keine Urheberrechtsdebatte um Bezahlsysteme, wenn Teilnehmer nicht nur selbst zahlen sondern dafür auch noch ihre Rechte abgeben.

Wenn man sich gleichzeitig die Liste der „Premium Partner“ anschaut, dann fragt man sich schon, wer und was wird da bezahlt, wenn die Teilnehmer und ihre Fotografien – also der Kern der Sache – fast alles selbst bezahlen müssen.

(Wichtig: Es gibt zu diesem Artikel eine Anmerkung von Jörg Koopmann, der für die Veranstalter von fotodoks spricht und darauf hinweist, dass diese Ansichten von mir so nicht stimmen. Ich kann das nicht überprüfen, verweise aber in diesem Beitrag schon auf die Kommentarbeiträge am Ende dieses Artikels. So kann man sich ein eigenes Urteil bilden.)

Dokumentarfotografie ist doch ein Geschäftsmodell

So könnte man zu der Feststellung kommen, dass Dokumentarfotografie sehr wohl ein Geschäftsmodell ist – nur nicht für die Fotografinnen und Fotografen, die die Fotos liefern. Es ist sogar eine fast geniale Geschäftsidee. Früher bestimmte der die Musik, der sie bezahlte. In diesem Fall bestimmen andere (u.a. „Sponsoren“?)  die Musik und man selber muß auch noch dafür bezahlen und auf eigene Kosten produzieren.

Deutschlands „beste“ Dokumentarfotografen?

Aber auch dieses Geschäftsmodell kann man noch toppen. Am besten sucht man einen Verlag, der ein Buch herausbringt mit dem Titel „Deutschlands beste Dokumentarfotografen“ und wer will, der kauft sich für z.B. 1000 Euro in dem Buch eine Selbstdarstellung.

Das ist ein kluges Geschäftsmodell, bei dem alle verdienen – ausser den beteiligten Dokumentarfotografen.

So kann man mit der Dokumentarfotografie gute Geschäfte machen.

Übrigens gibt es ganz viele Beispiele in dieser Richtung, so dass mein Beispiel nur gerade aktuell ist und mir unter die Finger kam. Mehr Fotowettbewerbe finden Sie u.a. hier.

Und  bei z.B. fotodoks kann man scheinbar nur mitmachen, wenn man sich auf diese Bedingungen in dieser Form einlässt. Damit ist klar, dass man über einen seriösen Umgang mit Fotografie sehr geteilter Auffassung sein kann.

Text Version 1.1

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

4 thoughts on “Wie man mit der Dokumentarfotografie Geschäfte macht oder wer gewinnt zahlt drauf?

  1. Aber denk doch nur mal dran, was das für eine TOLLE und GÜNSTIGE Möglichkeit zur EIGENWERBUNG für die Fotografen ist. Man kann daraus etliche neue AUFTRÄGE GENERIEREN, und das quasi zum Selbstkostenpreis – das ist doch geradezu ein SCHNÄPPCHEN!!! #SARCASM

    1. Ich kenne sogar Fotografen, die nebenbei arbeiten gehen (ausserhalb der Fotografie), um genug Geld zu haben, damit sie die Kosten für die Ausstellung bezahlen können: mehrere Tage Arbeit, Abzüge auf teurem Papier im großen Format, Rahmung oder sogar noch teurere Prints, Reisekosten etc. Später findet man dann auf der Homepage die Ausstellungen, an denen sie teilgenommen haben oder die sogar nur mit ihren Fotos bestückt waren – leider mussten sie alles selber bezahlen. Da lohnt sich viel eher eine digitale Ausstellung im Internet.

  2. Hallo Herr Mahlke

    in ihrem blog poltern sie ja gehörig gegen die fotodoks in münchen

    Erlauben Sie uns dass wir da einige Details ins rechte Licht rücken.
    auch wenn ein blog sich frei zu allem äussern sollte, ist Ihre Idee einen Ausschnitt der agbs zu nehmen und daran eine raffiniertes, kommerzielles Geschäftsmodell
    zu folgern, etwas kurz gedacht. Wiewohl ich ihnen zustimme, dass man sehr genau schauen sollte was und wie generell bei Fotowettbewerben in Ausschreibungen steht,
    dennoch schiessen sie ziemlich übers Ziel bzw völlig daran vorbei im Falle der fotodoks.de:
    dazu ein paar Details:

    – Fotodoks ist primär ein Festival! und im Zentrum steht die jurierte Ausstellung und ein beachtliches Rahmenprogram!
    – Wir verdienen mit FotoDoks keinen Cent, fotodoks ist ein e.V, mitglieder sind eine hand voll freiberuflicher fotografen
    – Ein Team von ca 5 Leuten arbeitet an der Realisierung des Projekts über drei bis vier Monate ohne Honorar!
    – Wir bezahlen den Fotografen die Anreise und stellen ihnen für den gesamten Aufenthalt ein schönes Hotelzimmer
    – Wir laden alle zum Essen ein, auf allen Parties und Events zahlt der Fotograf keinen Cent.
    – Wir haben gerade bei der letztjährigen Ausstellung sehr viele Prints für die Fotografen anfertigen lassen und haben
    einen Großteil der Rahmen gestellt.
    – Wir haben es geschafft ein hochklassiges Festival auf die Beine zu stellen, ohne Förderung, ohne eine Uni, die
    dahinter steckt, einfach so.
    – ein zweisprachiger Katalog entsteht mit 164 Seiten der für 8.-€ verkauft wird und von dem die Fotografen Stapelweise Belegexemplare kriegen
    – Auf
    http://fotodoks.de/presse/
    können sie einen kleinen Eindruck kriegen was wir an Pressearbeit leisten und an Öffentlichkeit für die Ausgestellten Arbeiten generieren
    – Unser Gewinner im letzten Jahr , Bruno Pulici, hat eine Leica X1 gewonnen, er hat definitiv nicht drauf gezahlt…
    – Wir sind alle selber Fotografen, und wir behandeln alle unsere Gäste so, wie wir es uns auch wünschen würden
    behandelt zu werden. Wir haben alle selbst an diversen Fototagen/ Festivals etc als Aussteller teilgenommen, wissen um das Thema und Problem der Selbstausbeutung!

    Sie schreiben: Wenn man sich gleichzeitig die Liste der “Premium Partner” anschaut, dann fragt man sich schon, wer und was wird da bezahlt, wenn die Teilnehmer und ihre Fotografien – also der Kern der Sache – fast alles selbst bezahlen müssen.
    Wenn sie ein bisschen Recherchieren würden zuvor, eins und eins zusammen zählen, ohne Missmut und Häme, erschliesst sich sehr einfach wie ein Festival in dieser Grösse finanziert/gesponsert werden muss..
    Ich würde Ihnen nahe legen sich für den blog die Mühe zu machen mal bei den bisherigen Ausstellern/Fotografen der letzten Jahre schlau zu machen
    wie sehr sie sich verarscht, ausgebeutet oder missbraucht fühlen…

    Ja, Dokumentarfotografie und alles was damit subsumiert wird ist ein hartes Pflaster um damit Geld zu verdienen, das ist unbestritten und auch unser Alltag!
    Unsere Strategie ist eher der Dialog, direkt, mit anderen Produzenten, mit Auftraggebern, Verlagen, und allen anderen Interessierten, um über
    das Potenzial und das Image aber auch die Arbeitsumstände etc dieses Arbeitsfeldes zu berichten. Und dazu laden wir die Fotografen ein.

    Andere finden was im Netz, und verbreiten ihre Meinung mal schnell via blog.
    Wir können ihnen als Blogger keine Zugfahrt nach München finanzieren, aber wir können ihnen sehr empfehlen die Tage im Oktober während des Festivals
    in München zu verbringen, sie werden danach vermutlich einiges substanzielles in ihrem Blog posten können, und ich würde mich nicht wundern wenn ihnen dann ihre warnenden (und oberflächlich betrachteten) Gedanken zur Ausschreibung der fotodoks etwas unpassend erscheinen, und der „Gegner“, der, der „mit Dokumentarfotografie Geschäfte macht“, ganz wo anders zu finden sein könnte…

    in diesem sinne
    Achtung!

    herzlicher Gruss aus München

    das Fotodoks Team

  3. Das ist das Schöne an meinem Blog, auch Sie können hier ihre Sicht der Dinge publizieren wie gerade getan. Und schon kann man die fotodoks aus verschiedenen Richtungen sehen. Gestatten Sie ein paar Anmerkungen.

    1. „Andere finden was im Netz, und verbreiten ihre Meinung mal schnell via blog.“ Ich habe etwas auf ihrer Webseite gefunden. Für die Inhalte sind Sie verantwortlich. Was Sie hier als Anmerkung geschrieben haben, habe ich auf ihrer Webseite nicht gefunden. Daher sollten Sie darüber nachdenken, ob es sich dann bei meiner Schilderung um „Missmut und Häme“ handelt.

    2. „wie ein Festival in dieser Grösse finanziert/gesponsert werden muss..“ Der Zusammenhang zwischen den Geld- und Sachspenden (?) der Sponsoren und ihrem Engagement ist mir nicht klar geworden. Da Sie ja so viel bezahlen – „wir“ – muss ja Geld fliessen. An den Verein? Ist der gemeinnützig? Gibt es Steuergelder? Nach meiner Kenntnis wollen private Sponsoren positive Aufmerksamkeit in den Medien und steuerliche Absetzbarkeit. Ist das bei Ihnen auch so? Vielleicht könnten ja andere von ihrem Beispiel lernen?

    Abgesehen davon sind ja in meinem Beitrag entsprechende Verlinkungen auf ihre Seite, so dass sich jeder unabhängig von mir seine eigene Meinung bilden kann. So funktioniert Social Media – was will man mehr!

Schreibe einen Kommentar zu jörg koopmann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert