Von der Leica zur Ricoh

Blick durch den Messsucher der Leica M6
Blick durch den Messsucher der Leica M6

Was macht man eigentlich, wenn man nicht das Geld hat, um sich eine Leica M8 oder M 8.2 oder M9 zu kaufen?

Da die Leica und Henri Cartier-Bresson zusammenhängen, hat die Leica immer bei dieser Art der Fotografie automatisch einen hohen Platz. Nun spielt die Leica bei den heutigen Reportern offenkundig nicht mehr die Rolle, die sie früher hatte. Dies hat einfach mit technischen Fragen zu tun. Die besseren Sensoren, die stärkeren Teleobjektive, die Matrixmessung, der schnelle Schuss. Alles dies haben die heutigen Digitalkameras von Nikon, Canon, Pentax, Sony etc.

Ich empfehle jedem, der sich für das Gefühl der Fotografie im Sinne von Cartier-Bresson interessiert, sich eine Leica M6 oder M7 auszuleihen mit einem Film und dann damit einen Tag durch die Stadt zu gehen und zu fotografieren. Dabei wird sehr deutlich, dass der Schnappschuss weniger das Wesen der Leica ist. Vielmehr zwingt der Messsucher zu einer fast meditativen Ruhe, weil die Anzeige der richtigen Belichtung und die Scharfstellung beide von Hand vorne am Objektiv vorgenommen werden müssen. Diese Tätigkeiten zwingen zur exakten Ausrichtung und stoppen jede Art von schnellem Abdrücken. Aber man muß es ausprobieren. Auf www.fotomonat.de gibt es ein Video von Henri Cartier-Bresson. Dort sieht man sehr genau, was es heisst, mit dem Messsucher auf der Strasse zu fotografieren. Das muß man wollen mit dem Wissen, dass es dennoch keine besseren Fotos gibt. Man muss sich über die Grenzen des Messsuchers klar sein. Schnelle und scharfe Aufnahmen wie mit einem guten optischen Sucher bei einer Spiegelreflexkamera zu machen ist zumindest meiner Meinung nach sehr schwierig.

Dennoch wollen viele Menschen sich eine Leica kaufen. Spötter sprechen von der Zahnarztkamera, andere haben einfach die Geschichte dieses Namens im Kopf. Im Zeitalter der digitalen Fotografie kommt hinzu, dass Optik und Sensor zusammen wesentlich für die Bildentwicklung sind. Insofern ist der Sensor mindestens ebenso wichtig wie die Optik. Die Leica M8/M9 bleibt dabei die Kamera der Tradition. Ob sie für Strassenfotografie im 21. Jahrhundert aber immer noch erste Wahl ist, darf bezweifelt werden. Denn es gibt heute Kameras, die leiser sind, die schneller sind, die schneller fokussieren, die kleiner sind, deren Sensoren besser sind etc.

Rüdiger Abele kommt in der FAZ am 15.2.09 in seinem Artikel über die Leica zu folgendem Schluss:“Die M8.2 lebt in einer eigenen Nische…. Die M8.2 ist …verglichen mit einer Digitalkamera, immer noch laut. Diese (die Digitalkameras, M.M.) sind heute erste Wahl, wenn man wirklich unauffällig und leise fotografieren möchte.“

Aber im Jahre 2010 kommt offenkundig wieder mal Bewegung in die Welt der Sensoren, Optiken und Kameras. Es bleibt eine Zeit mit vielen Möglichkeiten, sehr viel Geld auszugeben. Die Zeit der Sensorfotos hat begonnen, man darf gespannt sein.

Bleibt die Frage der Unauffälligkeit, des leisen oder lautlosen Auslösens, der Kompaktheit. Da sind Kompaktkameras eben lautlos. In meinen Augen ist die einzige Nicht-Spiegelreflexkamera mit einer fast lautlosen Auslösung und einem richtig grossen Chip die Sony DSC-R1, nun gefolgt von der Nikon D5000 mit einem nicht so leisen, aber sehr viel leiseren Modus und dann kommen die M-Leicas. Offenkundig ist die Frage des Auslösegeräusches noch nicht überall DAS Thema, vielleicht auch, weil normale Digicams schon lautlos sind.

Mich hat ein guter Strassenfotograf darauf gebracht, wie man gute Fotos auch ohne Leica machen kann. Man kaufe sich eine Ricoh GR Digital oder Ricoh GX200. Der Fotograf, der mir dies sagte, hat mit solchen Kameras Fotos für seine Bücher gemacht und veröffentlicht. Er erzählte, dass diese kleinen Kameras lautlos, schnell und bezahlbar sind – bei erstklassiger Bildqualität.

Ich habe es getestet und es hat sich gezeigt, er hat recht. Wer also keine 5000 Euro oder mehr für ein Leica M8.2/9 Gehäuse hat, der kann mit einer Ricoh GX 200 locker auch glücklich werden, zumal der Preis bei ca. 360 Euro liegt. Mir persönlich gefällt bei der Ricoh GX 200 die auch von der Bedienung her gut gelöste Möglichkeit, die Blende vorzuwählen und zugleich manuell die Fokussierung vorzunehmen – aber das ist Geschmackssache.

Es gibt auch noch die Alternative der Panasonic LX3, jetzt LX5, die auch als Leica-Variante gehandelt wird. Das ist ebenfalls eine schöne Kamera, die mit einem optischen Aufstecksucher und 24mm Rahmen veredelt werden kann. Für Streetphotography bzw. Strassenfotografie ist meiner Meinung nach die Ricoh GX200 eindeutig die bessere Wahl. Mittlerweile gibt es im Jahr 2010 noch viel mehr Kameras (z.B. die Powershot G11/G12, die Powershot S90/95, die Ricoh GXR, die Fuji Finepix F70EXR bzw. F200EXR, die Olympus Pen 1+2, Panasonic GF1, Sony mit der WX1 etc.). Aber ob sich diese Kameras besser für Streetpix eignen bleibt Geschmackssache. Die Antwort auf diese Frage hat den Vorteil noch eine Menge schöner Diskussionen führen zu können.

Und vor kurzem hat nun Panasonic den Schnappschuss technisch neu erfunden. Mit der Panasonic G2 kommt eine neue Technik des Fotografierens auf den Markt, allerdings nicht lautlos.

So bleibt für den kleineren Geldbeutel zumindest eine Auswahl an Kameras übrig. Vielleicht sogar die bessere Entscheidung – wer weiß?

Einen anderen Aspekt möchte ich auch noch benennen. Bei aller Liebe bleibt es ein Problem bei schlechten Lichtverhältnissen schnelle und scharfe Schnappschüsse zu machen – selbst mit Optiken, die mit Blende 1,8 arbeiten. Wer mal probiert hat in einem kaum beleuchteten Raum mit ISO 3200 oder 6400 und Blende 1,4 oder 1,8 ein scharfes Foto von sich bewegenden Menschen zu erhalten, der weiss, was ich meine. Was will ich damit sagen? Ganz einfach: wir sind noch nicht mal technologisch so weit, dass die wirklichen Bedürfnisse der Available Light Fotografie mit einer bezahlbaren mittelgrossen Digitalkamera erfüllt werden können. Da bleibt also noch eine ganze Menge zu tun bis ein grosser Chip in einem kleinen Gehäuse mit gutem optischen Sucher und wenig Rauschen gute Fotos macht und nicht mehr als 500 Euro kostet – das wäre ein echtes technologisches Alleinstellungsmerkmal mit einem riesigen Käuferpotential.

Doch um auch die letzte Wahrheit auszusprechen, müssen wir noch einmal auf den so geschätzten Henri Cartier-Bresson kommen. Oft diskutiert und auch belegt im l-camera-forum wird dann eine uns nachdenklich machende Information: wussten Sie, dass Henri Cartier-Bresson offenkundig auch mit der Leica Minilux fotografierte?

Nun streiten sich die Gelehrten der Leica-Zunft darüber, ob gerne, ob oft, ob ob ob. Er hat aber.

Und wenn man dann ab und zu das Gefühl eines Messsuchers haben will, dann kaufe man sich eine gebrauchte analoge Leica CL oder eine Voigtländer Bessa und fotografiere ab und zu mit einem Film. Das kostet knapp 500 Euro und gibt einem alle originalen Erlebnisse zurück.

So und wenn ich den Artikel jetzt rückblickend lese, dann könnte er auch heissen, wie spare ich 5000 Euro….

Nachtrag Mitte 2011:

Blick durch den Sucher der Fuji X100

Mittlerweile gibt es von Ricoh das GXR-Modul-System und von Fuji die X100. Die X100 hat wiederum einen anderen und in meinen Augen optisch besseren Sucher. Sie ist aber ziemlich groß für Strassenfotografie unter den aktuellen sozialen Konditionierungen. Hinzu kommen die Sony Kompaktkameras mit der „überlegenen Vollautomatik“ und neue Kameras von Panasonic, Olympus, Pentax etc.. Es gibt auch von Leica die X1 und die M9-P und ein Bündnis von Leica mit Magnum. Aber für mich sind die Leicas eher etwas für die Liebhaber des Messsuchers oder Prestigeobjekte, statt sehr effektiv und praktisch für die Strassenfotografie der heutigen Zeit zu sein. Das meine ich nicht negativ, da Oldtimer fahren auch ein schönes Hobby ist. Aber mir geht es hier rein um die Frage, welche Kameras für Streetphotography unter den aktuellen sozialen und juristischen Bedingungen die beste Wahl sind.

So, und wenn Sie nun noch wissen wollen, womit ich aktuell am liebsten Streetphotography mache (in absteigender Reihenfolge): Sony TX5 (im Regen), Ricoh GXR S10, Nikon D3100, Olympus E-PL1 mit 14mm/F2.5, Fuji X100, Ricoh GX200 – und das, obwohl ich auch die Nachfolger – soweit vorhanden – und andere Kameras schon getestet habe.

Warum? Weil mir die

  • Schnappschussfähigkeit,
  • das leise Auslösegeräusch und
  • die Unauffälligkeit
  • bei guter Bildqualität und guter
  • Haptik (=Griffigkeit)

am wichtigsten sind.

Übrigens, die Gedanken in diesem Artikel habe ich durch neue Artikel ergänzt.  Benutzen Sie einfach die Suchfunktion, dann erhalten Sie viele neue interessante Informationen.

So, und nun viel Spaß beim Lesen der anderen Artikel auf fotomonat.de.

 

6 thoughts on “Von der Leica zur Ricoh

  1. Hallo Michael

    Es mag alles wahr sein, was Du hier schreibst. Aber es geht nicht immer nur ums schneller, besser und billiger. Du kannst mit jeder Kamera ein gutes Bild machen. Eine gute Kamera, bedeutet nicht, dass Du damit automatisch auch ein gutes Bild machst. Strassenfotografie braucht Zeit. Du musst beobachten können. Du musst Ereignisse oder Szenen im voraus erahnen können. Dazu brauchst Du kein Autofokus.

    Eine Leica ist puristisch. Die Qualität ist Top und kann zur Zeit von keiner anderen Kamera in dieser Klasse geboten werden. Kein Schick-Schnack, keine x-fachen Menüfunktionen. Ich will nicht mit einer Bedienungsanleitung herumlaufen. Ich will auf der Strasse einfach nur fotografieren. Genau das bietet dir die Leica. Alles ist da, wo es hingehört. Ich kann mich ganz auf das Bild konzentrieren.

    Die kleinen Digitalkameras besitzen meist keinen Sucher. Du musst den Live View Modus verwenden. Ich weiss nicht, ob Du dabei unauffälliger bist. Fokussiert der Autofokus immer genau auf die Stelle, die Du haben möchtest?

    Eine Leica hat ihren Preis, dass ist wahr. Wenn Du aber einmal eine besitzt brauchst Du so schnell keine andere mehr.

    1. Hallo,
      vielen Dank für den Kommentar. Ich kann diese Auffassung gut nachvollziehen. Für mich ist es aktuell so, dass ich sehr gerne die neue Panasonic G2 nutze mit der 20mm/1.7 Festbrennweite, also 40mm auf Kleinbild umgerechnet. Dazu habe ich ja auch etwas geschrieben http://dokumentarfotografie.de/?p=527. Das Schöne ist ja, dass wir alle unser fotografisches Glück in einer großen Auswahl treffen können.

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